Biografie
Foto: Martina Villiger
In seinen Werken – den Gemälden, Skulpturen, Kreationen in Mischtechnik aus verschiedenen Materialien – kommen die geistigen und kulturellen Triebfedern seines Schaffens in wunderbarer Weise vereint und verwandelt zum Ausdruck: zweifellos ist Sergio Tappa von seiner italienischen Herkunft und der Ausbildung in seiner Heimat geprägt worden; gleichermassen haben ihn die langen Jahre seines Lebens in der Schweiz mit der typisch helvetischen Kultur beeinflusst. Hier hat er sich der grossen Tradition der zeitgenössischen Kunst und der Beschäftigung mit hermetischen Philosophien geöffnet.
Die Philosophie des grossen italienischen Denkers Giordano Bruno fungiert dabei als Brücke in diesem Spannungsfeld zwischen Geist und Natur, zwischen Subjekt und Kosmos.
Tatsächlich haben Tappas Werkgruppen Animello, Baccanti, Cere Rosse, Coppe, Diario dei sensi ein gemeinsames Substrat: Die philosophischen Betrachtungen über das Wesen der menschlichen Freiheit – ein zentraler Gedanke des Nolaners. Dieser zieht sich einem roten Faden gleichsam durch die dem schöpferischen Akt zugrunde liegende Erinnerung und verbindet die mediterrane Kultur der Renaissance mit der Kunst und Kultur der dem Norden eigenen Naturphilosophie.
In all diesen Werken stecke ein von Giordano Bruno inspirierter Kern, meint der Künstler denn auch ausdrücklich, wobei klar ist, dass sich Brunos Philosophie – erst recht in einer modernen, zeitgenössischen Interpretation – nicht in der Begrenztheit einer Werkgruppe erfassen lässt: sie stellt vielmehr, wie bereits angetönt, das mehr oder weniger unbewusste Fundament eines Werks dar, das sich voll und ganz der sinnlichen und konzeptuellen Selbstbetrachtung widmet.
In Diario dei sensi (Tagebuch der Sinne) findet dieses gemeinsame Element im kreativen Finden und Machen des Kunstwerks seinen Ausdruck. Tappa erweckt, zunächst in sich selbst und dann auf der Malfläche, die zufällige Begegnung mit einem Objekt, einem Zeichen oder einem Material zum Leben. Diese Begegnung löst einen Gedanken- und Assoziationsfluss aus, welcher sich wiederum unmittelbar und gleichzeitig reflektierend in einer ganz eigenen Maltechnik niederschlägt. Dabei werden einige dieser Fragmente, Stoffe oder Zeichen, welche Tappa’s Innen- mit der Aussenwelt verbinden, in das Gesamtwerk integriert ohne als einfaches Combine Painting zu gelten.
Der Künstler arbeitet bewusst malerisch, und die Fragmente der Realität verwandeln sich so in sein inneres Denken, seine innere Energie. Diese Verbindung von Selbstbetrachtung und bewusst-gekonnter Anwendung der Maltechnik lässt den Betrachter an einer quasi im Reinzustand agierenden Vorstellungswelt teilhaben, welche die Leichtigkeit des Zeichens und des Farbauftrages mit dem Gewicht der Materie und der Wirklichkeit vergleicht.
In Tappas Skulpturen, aber auch in seinen Bildern, führt diese Verwandlung von Schwere in Leichtigkeit – eine Verwandlung, die über die Schaffung von verfremdeten (und verfremdenden) plastischen Geschöpfen stattfindet, Metamorphosen von Wesen aus der realen Aussen- oder imaginären Innen-Welt, die mit ihrer hybriden Natur überraschen und unwillkürlich an die Vorstellung unseres Eins-Seins mit dem grossen Ganzen denken lassen.
Der Künstler nennt diese überraschenden Figuren Animelli; es sind Mischformen zwischen Geistigem und Körperlichem, Tierischem und Menschlichem, geheimnisvoller Aura und Schatten.
Die innere Harmonie, die Tappa durch die Kunst erlangt und uns über seine verschiedenen Ausdrucksformen (Ölbilder, Gouachen, Aquarelle, Skulpturen, Zeichnungen, Skizzen usw.) vermittelt, findet eine Ergänzung in einem Hang zur Melancholie, der stets die unergründlichen Wege der Vorstellungskraft und die unfassbaren, tiefen Bewegungen der Seele begleitet.
In Sergio Tappas Werken kommt es zur Erneuerung, zur Rückkehr der Reinheit und Ursprünglichkeit von Zeichen und Stoffen, die eine wichtige Rolle in der Geschichte der jüngeren und jüngsten Gegenwartskunst haben: Sand, Blei, das reine Pigment, Ausschuss des Materials und die Eigendynamik des kreativen Prozesses, der manchmal bewusst unvollendet bleibt.
All diese Elemente zeigen uns, dass wir Neues, Überraschendes, Harmonisches und Hybrides wahrnehmen können – dank dieses kulturellen Humus, den wir alle wenn auch unbewusst teilen, und aus dem der Zeitgeist und die Individualität eines frei schaffenden Geistes erblüht.
Simonetta Lux